Sommer
18.8.2011 Schwergewitter mit Shelf- und Wallcloud in der Jülich-Zülpicher Börde
- Details
- Erstellt: 21. August 2011
- Zuletzt aktualisiert: 14. Oktober 2016
- Geschrieben von René
- Zugriffe: 9416
Am 17.8. bildete sich das Gewittertief Xaver in der Biskaya, welches am nächsten Tag in Benelux und in West- und Norddeutschland eine unwetterträchtige Schwergewitterlage brachte. Andy Holz, Dietmar Hames und ich fingen die erste sehr giftige Gewitterlinie gegen 19 Uhr bei Baesweiler ab und flüchteten vor dieser bis Zülpich. Dort kam kurz vor 21 Uhr die zweite Linie an. Der nördliche Teil der Shelfcloud drehte sich zu einer astreinen Wallcloud ein. Danach genossen wir noch das Blitzfeuerwerk bis Kerpen.
Für diese Lage gab Estofex ein Level 2 für Westdeutschland:
Schon nach dem Durchzug der Warmfront des Gewittertiefs war enorme Windscherung vorhanden. Selbst ein sterbender kleiner Schauer in der Nordeifel am Mittag hatte einen rotierenden Aufwindteller:
Am frühen Nachmittag lösten an der südwestlichen Grenze von Belgien einzelne Gewitter aus und kurze Zeit später kam es in Westbelgien zur explosionsartigen Auslöse innerhalb vom Gewittertief. Es bildete sich ein Bogenecho, welches unter Verstärkung nach Osten zog. Andy Holz holte mich gegen 17 Uhr zuhause ab. Wir holten noch Dietmar Hames ab und wir fuhren in die Jülicher Börde, um die Zellen abzufangen.
Wir sind über die A44 bis Aldenhoven und dann nach Norden gefahren, um uns in der Nähe von Geilenkirchen zu positionieren. Zwischen Baesweiler und Geilenkirchen fanden wir einen guten Spottingpoint in den Feldern. Als wir ausgestiegen sind, wehte uns warme Dampfluft um die Ohren. Das war schon der Inflow in die Gewitterlinie.
Wir konnten die Entstehung einer schwachen vorlaufenden Zelle im Osten beobachten:
Im Westen kam schon der mächtige Eisschirm der Gewitterlinie zum Vorschein:
Gegen 18.20 wurden erste laminare Strukturen sichtbar, die die Böenfront ankündigten:
Noch etwas später hörten wir erstes Grummeln aus dem Nordwesten und ich habe einen Blitz erwischt:
Zehn Minuten später war es dann so weit und die Böenfront mit tiefen, dynamischen Fracti wurde sichtbar. Der Zellkern hinter der Böenfront leuchtete auffällig grün, was meistens ein Anzeichen von Hagel ist:
Die Blitzaktivität war enorm, denn im Zellkern war Dauergeflacker und -grummeln.
Die Böenfront kam auf uns zu und ich habe ein Pano von ihr gemacht:
Ein böiger Outflow blies uns um die Ohren. Da die Linie schnell zog und möglicherweise großen Hagel und schwere Fallböen im Gepäck hatte, haben wir ziemlich schnell zusammengepackt. Ich habe noch ein letztes Foto vom südlichen Ende der Linie mit Whale's Mouth gemacht:
Das Ende drehte sich ein und hatte im hinteren Bereich auch eine Tailcloud. Daher war es möglicherweise eine Wallcloud.
Wir hatten garnicht versucht, uns noch einmal vor die Linie zu setzen, sondern sind nach Südosten gefahren, um aus der Zugbahn der Linie heraus zu kommen. Also sind wir auf die A44 nach Jülich gefahren, um dem Monster zu entkommen:
In Jülich sind wir von der Autobahn abgefahren und über Landstraße nach Süden weiter gefahren. Das südliche Ende der Shelfcloud scherte deutlich nach Südwest aus und hat uns fast eingeholt:
Auf der Höhe von Düren haben wir es aus der Zugbahn der giftigen Linie heraus geschafft und wollten zur Merzenicher Höhe fahren, um die Linie dort noch zu beobachten. Aber auf dem Weg dorthin kam wie aus dem Nichts ein starker Staubsturm aus der Front auf uns zu, dieser entstand durch Outflowböen mit ca. 90 km/h. Also sind wir weiter nach Süden geflüchtet. Es gab zwischenzeitlich ein paar Regentropfen von einer neuen Zelle, die im Outflow der Gewitterlinie entstanden ist.
Bei Vettweiß-Sievernich konnten wir kurz anhalten, um ein paar Fotos vom Monster zu machen. Der Zellkern war jetzt hauptsächlich braun aufgrund vom aufgewirbelten Staub:
Vermutliche Hagelfallstreifen wurden von der Sonne angeleuchtet:
Nach ein paar Minuten mussten wir schon wieder weiter, da uns der Staubsturm sonst wieder eingeholt hätte.
Bei Zülpich-Rövenich waren wir nun wirklich aus dem Gefahrenbereich heraus und konnten die abziehende Gewitterlinie beobachten:
Die schnelle und weite Flucht vor der Gewitterlinie war auch angebracht, denn sie hatte 3-4cm großen Hagel an Bord und in Heinsberg gab es einen F1-Tornado, der Bäume umstürzen ließ und Dächer teilweise abdeckte.
Auch einen kleinen Wolkenblitz konnte ich einfangen:
Über uns kamen schöne Mammati zum Vorschein:
Unter dem mächtigen Eisschirm versuchte eine neue Zelle über Zülpich vergeblich sich zu entwickeln und am Horizont kündigte sich schon die nächste Linie an:
Um 20.25 konnte man schon die Shelfcloud der neuen Gewitterlinie erahnen:
Wir sind auf ein anderes Feld in der Nähe gefahren, um einen besseren Blick auf diese Linie mit einer mehrstöckigen Shelfcloud zu haben:
Auch diese Linie hatte eine enorme Blitzaktivität. Ich konnte einen schönen Blitz ablichten:
Die Rauchfahne der Papierfabrik Smurfit Kappa wurde durch den Outflow nach Süden geweht:
In die Linie war eine Zelle mit rotierender Wallcloud (möglicherweise eine Superzelle) eingebettet. Die Wallcloud war sehr schön ausgeprägt und hatte auch eine Tailcloud rechts:
Hinter der Shelfcloud an der Wallcloud war also der rückseitige Niederschlag. Dieser war auch sehr blitzaktiv:
Da die Zelle deutlich nach rechts ausscherte, ist die Wallcloud schnell über uns drüber gezogen:
Diese Gewitterzelle hat Aachen unter Wasser gesetzt. Dabei fielen 17 Liter/m² in nur 10 Minuten. Ganze Straßen wurden dabei überschwemmt und viele Keller liefen voll.
Wir wechselten noch einmal den Standort ein Stück nach Norden, um die Blitze von der abziehenden Zelle einzufangen:
Als wir die farbenfrohe Stimmung beim Sonnenuntergang genossen und die Blitze fotografiert haben, zuckte plötzlich ein Wolkenblitz direkt über uns an der Wolkenunterseite. Instinktiv haben wir die Ausrüstung eingepackt und uns ins Auto gesetzt. Eine Minute später setzte direkt der Regen ein, es war also höchste Eisenbahn!
Die Gewitterzellen zwischen der abziehenden 1. Linie und der 2. Linie verclusterten immer mehr und wir haben uns den Weg in den trockenen Bereich nördlich von Jülich gebahnt. Dabei sind wir mitten durch eine frische Gewitterzelle mit Starkregen gefahren und hatten ein paar Mal kurz Aquaplaning. Während der ganzen Fahrt war eine wahre Disco am Himmel, denn es blitzte sehr häufig und überall um uns herum.
Bei Linnich-Tetz haben wir es endlich ins Trockene geschafft, allerdings gab es dort keine direkten Blitze mehr zu sehen...
Also sind wir wieder nach Süden gefahren, um die Lightshow der noch aktiven Gewitter einzufangen. Nachdem wir uns in Jülich gestärkt haben, ging es nach Pier am Ostrand vom Tagebau Inden. Dort hatten wir endlich Glück und konnten direkte Blitze fotografieren:
Diese Zelle verfolgten wir bis in die Nähe von Kerpen. Allerdings war sie dort schon so weit weg, dass es nur noch wenige direkt sichtbare Blitze an der Rückseite gab. Dafür kam der Mond zum Vorschein und zauberte eine geniale Stimmung:
Es gab keine aktiven Zellen mehr in der Börde, also sind wir gegen Mitternacht nach Hause gefahren. Dabei konnten wir Richtung Nordost noch schwaches Wetterleuchten sehen, dies war eine Gewitterzelle im Selfkant. Diese haben wir aber ziehen lassen, denn wir sind bei diesem Chasing schon zweimal die Börde hoch und runter gefahren :D
Am nächsten Morgen gab es beim Kaltfrontdurchgang in Simmerath ein Gewitter beim Sonnenaufgang.
Diese Gewitterlage war endlich der Ausgleich für die sehr schlechte Gewittersaison 2011 in Westdeutschland. Es war mein bestes Chasing dieses Jahr und mein bisher actionreichstes überhaupt. Leider war die Lage sehr brisant und hat viele Schäden durch Sturmereignisse, Starkregen und Hagelschlag hervorgerufen und sogar einige Menschenleben gefordert.
Hoffentlich hat euch der Chasingbericht gefallen.
Hier ist Andys Chasingbericht!
Gruß René